Üben hilft eben doch! – Buchrezension
Cover Buch Üben hilft eben doch! von Angelika Stockmann Bild: ein Holzköcher im Vordergrund mit mehreren Pfeilen, im Hintergrund eine Zielscheibe
Cover Buch Üben hilft eben doch! von Angelika Stockmann Bild @Wißner Verlag GmbH & Co. KG

Üben hilft eben doch! – Ein Leitfaden zum lösungsorientierten Üben in Prävention und Therapie von Angelika Stockmann

Üben: das begleitet das ganze Musikerleben – von den ersten Tönen an. Da ist es nicht verwunderlich, dass es unzählige Ratgeber zu diesem Thema gibt. Jetzt also noch ein weiteres Buch zum Thema von der Cellistin und Dispokineterin Angelika Stockmann. Sie leitete viele Jahre den Ausbildungslehrgang Dispokinesis und betreibt seit über 30 Jahren eine renommierte Musikerpraxis in Essen. Mit dem Schwerpunkt Prävention ist sie Lehrbeauftragte am Peter-Ostwald-Institut für Musikergesundheit an der Hochschule für Musik und Tanz Köln und Dozentin in der Weiterbildung Musikphysiologie im künstlerischen Alltag an der UdK in Berlin.

Buch übers Üben

Ist das notwendig – noch ein Buch übers Üben?

Ja, denn genau dieses Buch hat gefehlt. Denn es begreift und beschreibt das Üben als ganzheitlichen Prozess, der über das reine instrumentale oder gesangliche Geschehen oder das Einstudieren von Stücken oder Liedern hinausgeht. Denn Üben ist viel mehr als das reine Pauken von schweren Stellen, Einsingübungen, oder Fingerübungen. Es ist die Auseinandersetzung von „Mensch“ mit dem Instrument, mit dem eigenen Körper, mit dem Klang, mit dem Raum, mit den Emotionen – und das alles fließt dann ein in die Musik.

Üben als Prozess

Das Buch „Üben hilft eben doch!“ begreift das Üben als Prozess, der den ganzen musizierenden Menschen betrifft. Und es ist ein Buch, das zur Selbsterfahrung anleitet. Folgerichtig scheint das meistbenutzte Wort die Frage „Wie“ zu sein. Wie stehe ich, wie bewege ich mich, wie fühlt sich das an, wie empfinde ich das Gewicht des Instruments, wieviel Raum gestatte ich mir einzunehmen…

Sackgasse ergebnisorientiertes Üben

Das Buch führt vom ergebnisorientierten Üben zum lösungsorientierten Üben. Denn das ergebnisorientierte Üben ist meist eine Sackgasse, die Stress auslöst und im schlimmsten Fall Fehler durch ständige Wiederholungen einbrennt.

Lösungsorientiertes Üben hingegen berücksichtigt die Tatsache, dass Lernen Entwicklung ist. Beim Musizieren brauche ich eine Bandbreite an Möglichkeiten, die mir zur Verfügung stehen und auf die ich im Bedarfsfall zurückgreifen kann. Es gilt, mir mit dem Üben diese flexiblen Möglichkeiten zu erschaffen. Ich trainiere also nur bedingt die Stelle „xyz“. Ich er-übe mir stattdessen die Möglichkeiten, wie ich die Stelle „xyz“ am besten und für mich am stimmigsten spielen kann. Denn wenn ich den Ausdruck der Stelle auch nur leicht verändere, braucht es z.B. einen leicht variierten Blasdruck und Ansatz oder einen veränderten Druck der Fingerspitze auf dem Griffbrett.

Das Buch beschreibt den Übe-Prozess auf dem Hintergrund der Erkenntnisse der Forschungen zur Neuroplastizität. Es gibt neben den vorgestellten Übungen viele Beispiele aus der Praxis von Angelika Stockmann – Beispiele aus denen die Leser*innen sehen können, wie das lösungsorientierte Üben bei teilweise tiefgreifenden Problemen helfen kann. Wirklich großartig ist das Kapitel, indem Stockmann die Prozesse beim Üben im Gehirn beschreibt. Ein wenig Hintergrundwissen dazu ist wahrlich nützlich.

Schreckgespenst Fokale Dystonie

Interessant ist auch der zweite Teil des Buches, der vom Umgang mit der gefürchteten fokalen Dystonie berichtet. Über dieses Thema gibt es kaum Literatur. Stockmann beschreibt anhand von Beispielen aus ihrer Praxis, dass diese Diagnose nicht das Ende sein muss. Durch den Übe-Prozess als ganzheitlich orientiertem Lösungsweg kann es durchaus einen Weg aus der Dystonie geben. Das macht Mut! Für Musiker*innen, die nicht von Dystonie betroffen sind, kann dieser Teil des Buches Hinweis geben, was für eine effektive Prophylaxe zu beachten ist.

Stockmann sagt, dass sie dieses Buch geschrieben hat, damit die oder der Leser*in es für sich selbst weiterschreiben kann. Es ist also ein Selbstlernbuch. Für Instrumental- oder Gesangspädagog*innen ist es eine Bereicherung für die Gestaltung des Unterrichts – und ein Nachschlagewerk mit Anregungen, wenn mal Schüler*innen nicht weiterkommen.

Ja, dieses Buch hat wirklich gefehlt! Und ich kann nur sehr empfehlen, sich die Anregungen dieses Buches zu eigen zu machen.

Das Buch „Üben hilft eben doch!“ ist bei Wissner Musikbuch erschienen, kostet 39,80 € und ist im Buchhandel und unter www.wissner-musikbuch.de zu erwerben. ISBN: 978-3-95786-282-2

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